Mehrwegsysteme in Wiener Kinos

Archivmeldung vom 23.06.2010.
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Projekt der TPA Energie- und Umwelttechnik GmbH im Auftrag der INITIATIVE "Abfallvermeidung in Wien", MA 48, 2004

In einem Wiener Kino wird ein Mehrwegsystem implementiert um die Verpackungen aus dem Verkauf von Snacks und Getränken zu minimieren. Eine getrennte Sammlung der Fraktionen kann in Kinos derzeit nicht erreicht werden. Die Verpackungen gelangen in Wien in den Systemmüll oder werden von privaten Sammlern als Gewerbemüll abgeholt und gelangen so in die thermische Verwertung oder in die Abfallbehandlung.

Im vorliegenden Projekt wurden die Einwegverpackungen aus den Verkauf von Popcorn, Nachos und Getränken durch Mehrwegbecher substituiert und so eine Reduktion der Mengen an Verpackungsmüll erreicht.

Im Rahmen des vorliegenden, von der Stadt Wien finanzierten und der TPA Energie- und Umwelttechnik in Kooperation mit Hollywood Megaplex durchgeführten Projektes wird ein Mehrwegsystem für Kinobetreiber geplant und in einem viermonatigem Modellversuch umgesetzt. Durch verschiedene Informationssysteme (Kinovorspann, Poster, Informationsveranstaltung etc.) wird das Kinopublikum über das System informiert und das Bewusstsein für die Maßnahme bei den Kinobesuchern entwickelt.

Insgesamt sollen die Erkenntnisse und Daten aus dem Projekt die Umsetzung eines Mehrwegsystems für Kinobetreiber und Veranstalter in Wien fördern. In einem ersten Schritt wurde das Mehrwegsystem geplant. Die Becher und Becherretournahmeautomaten wurden beschafft. Ein Anreizsystem zur Rückgabe der Becher wurde entwickelt. Ein System zur Bewertung der einzelnen Prozessschritte wurde eingeführt.

Die Umsetzungsphase wurde in drei Abschnitte gegliedert:

  • Versuchsphase I: Angeboten wurden Popcorn, Nachos und Getränke in Mehrwegbechern. Die Mehrwegbecher waren attraktiv bedruckt. Als Anreizsystem für die Becherrückgabe wurden Gutscheine und Gewinne in Form von Rückgabebons bereitgestellt.
  • Versuchsphase II: Popcornbecher wurden aus dem Mehrwegsystem entfernt. Die Getränkebecher waren einfärbig und unbedruckt. Das Anreizsystem wurde aus der Versuchsphase I übernommen.
  • Versuchsphase III: Es wurde ein Pfandsystem (0,5 Euro/Becher) eingeführt. Die Becher erhielten einen Barcodedruck zur eindeutigen Erkennung der Mehrwegbecher. Zusätzlich wurden Gutscheine bei der Becherrückgabe ausgegeben.

Für jede Versuchsphase wurden folgende Parameter erhoben und ausgewertet. Bei Bedarf wurden das System angepasst.

  • die Rücklaufquote der Becher
  • die Erhebung der entstehenden Abfallmengen
  • die Akzeptanz des Systems durch das Kinopublikum
  • die Qualität der Promotionmaßnahmen

Die Akzeptanz des Publikums und die Qualität der Promotionmaßnahmen wurde durch Befragung ermittelt. Die Rücklaufquote ergab sich aus der im Retournahmeautomaten registrierten Anzahl zurückgenommener Becher, der in den Kinosälen liegengelassenen Becher im Verhältnis zu den verkauften Mehrwegverpackungen.

Die Abfälle wurden zu Beginn und am Ende des Versuchs qualitativ und quantitativ analysiert. Während des Versuchverlaufes wurde täglich die Anzahl der Müllsäcke erhoben. Mit anderen Initiativen zur Verwendung von Mehrwegsystemen wurde Kontakt aufgenommen und Erfahrungen ausgetauscht, die in das Projekt einflossen.

Ergebnisse:

Im Versuchskino fallen ca. 267 m3 (4.701 kg) Gewerbemüll jährlich an. Der überwiegende Teil besteht aus Verpackungen aus dem Getränke- und Snackverkauf. In allen Wiener Kinos kann mit einem jährlichen Müllvolumen von rund 11.000 m3 gerechnet werden. Durch den Verkauf von Popcorn, Nachos und Getränken in Mehrwegbechern können rechnerisch 81 % der entstehenden Abfallmenge vermieden werden. Da im Modellversuch nicht alle Bechergrößen substituiert werden konnten, bzw. teilweise zur Entlastung des Systems bei Sonderveranstaltungen Einwegbecher eingesetzt wurden, wurde im Modellversuch eine maximale mittlere Abfallreduktion von 60,4 % erreicht (Phase 1).

Gutscheine und Gewinne auf den Retournahmebons, als Anreizsystem zur Becherrückgabe, wurden vom Kinopublikum positiv bewertet. Besonders bei den bedruckten Bechern war dies als Anreiz allerdings oft nicht stark genug. So lag die Rücklaufquote in der ersten Phase nur bei 63 %. Durch den Austausch der bedruckten Becher gegen unbedruckte konnte die Rücklaufquote in der zweiten Phase auf 85 % angehoben werden. Erst bei Implementierung eines Pfandsystems in der dritten Phase erhöhte sich die Quote auf 98 %. Das Gutscheinsystem brachte vor allem den Gastronomiebetrieben im Einkaufszentrum höhere Umsätze.

Schlussfolgerungen:

Die Akzeptanz des Publikums für das Mehrwegsystem verhielt sich umgekehrt zur Rücklaufquote. Die bedruckten Becher waren beim vorwiegend jugendlichen Publikum sehr beliebt und trugen maßgeblich zur Gesamtattraktivität des Systems bei. Aus den Ergebnissen des Modellversuches kann abgeleitet werden, dass das Mehrwegsystem in Kinos nur mit der Einführung eines Pfandsystems, zum monetären Ausgleich eventueller Becherverluste, betriebswirtschaftlich sinnvoll betrieben werden kann.

Die Erfahrungen aus dem Modellversuch zeigen, dass die Einführung eines Mehrwegsystems als Kinoeinzellösung nicht sinnvoll ist. Der Kinobetreiber hat keine Ressourcen ein Mehrwegsystem von sich aus zu betreiben, der finanzielle und personelle Aufwand zur Reinigung der Becher ist für den Kinobetreiber zu hoch. Sehr wohl besteht Interesse an der Teilnahme eines Systems, wenn die Dienstleistung von einem externen Anbieter bereitgestellt wird und die Kosten für den Kinobetreiber vergleichbar mit dem Kauf der Einwegverpackungen sind. Wie erste Kalkulationen zeigen kann ein Mehrwegsystem, bei entsprechender Zahl an zu manipulierenden Bechern, durch ein potenzielles Mehrweglogistikcenter kostengleich angeboten werden.

Könnten die finanziellen Einsparung bei der Abfallentsorgung für das Kino geltend gemacht werden, ergäbe sich schon im Modellversuch für das Mehrwegsystem eine ähnliche Kostenstruktur wie bei Einsatz der Einwegverpackungen. In den meisten Multiplexkinos, so auch im Versuchskino, wird die Entsorgung nicht aufkommensbezogen sondern pauschal verrechnet. Die Reduktion der Entsorgungskosten ergibt sich nicht direkt aus der Abfallminimierung, sondern muss mit dem Betreiber des Einkaufszentrums neu verhandelt werden. Die ökologische Bewertung der Mehrwegtrinkbecher fällt im Vergleich zu den Einwegbechern positiv aus. Vor allem bei einem erweiterten System mit mehreren teilnehmenden Kinos ist die Umweltverträglichkeit der PP-Becher um ein Vielfaches höher als bei Einwegbechern.

Der Betrieb eines innovativen Mehrwegsystems in Kinos ist sinnvoll, wenn das System mit optimierter Logistik für mehrere Kinos betrieben wird. Neben Kinos kann das System auch im Veranstaltungsbereich umgesetzt werden. Die Akzeptanz des Mehrwegsystems beim Publikum kann vor allem mit Promotionmaßnahmen wie bedruckte Sammelbecher, Gewinnmöglichkeiten etc. gesichert werden, wobei durch die Einführung eines Pfandsystems die finanziellen Verluste aus dem Becherschwund ausgeglichen werden müssen. Eine Ausweitung des Systems wird derzeit durch das Projektteam vorbereitet.

KONTAKT:

Projektleiter: Mag. Dr. Stefan Hackel

TPA Energie- und Umwelttechnik GmbH

Laxenburger Straße 228, 1230 Wien

Tel.: 01/616 38 99–0

https://www.tpa-kks.at/home/

 

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